Businessman hand signing contract, close-up.

Schriftform bei Arbeitsverträgen

Wichtige Zeilen

Ein Arbeitsvertrag muss nicht immer schriftlich festgehalten werden. Arbeitnehmer haben aber zur Absicherung einige Rechte. So garantiert in Deutschland zum Beispiel das Nachweisgesetz beim Abschluss eines Arbeitsverhältnisses über die wichtigsten Arbeitsbedingungen einen schriftlichen Nachweis. Seit 2022 gelten hier umfassende, durch eine EU-Richtlinie bedingte und für die Praxis relevante Änderungen.

Der Frage der Schriftform kommt bei einem Arbeitsvertrag eine sehr wichtige Rolle zu. Wie wichtig, sieht man an der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg aus dem Frühjahr 2022 (Az. 23 Sa 1133/21). Das Gericht entschied, dass für die wirksame Befristung eines Arbeitsvertrags eine eingescannte Unterschrift nicht ausreicht. Die in dem vorliegenden Fall eingescannte Unterschrift genügte den Anforderungen an die Schriftformforderung bei befristeten Arbeitsverhältnissen nicht. Denn diese erfordert gemäß § 126 und § 126a des Bürgerlichen Gesetzbuchs entweder eine qualifizierte elektronische Signatur oder am besten eine eigenhändige Unterschrift. Diese beiden Kriterien erfüllt jedoch eine mechanisch – oder eben hier digital – vervielfältigte Unterschrift nicht.

Im Oktober 2021 entschied das Landesarbeitsgericht München (Az. 3 Sa 362/21), dass eine per WhatsApp übermittelte Kündigung nichtig ist. In dem damaligen Fall hatte der Arbeitgeber die Kündigung in Ermangelung einer postalischen Anschrift abfotografiert und dem Arbeitnehmer per WhatsApp übermittelt. Das Gericht entschied, dass diese, über den Messangerdienst digital zugestellte, außerordentliche Kündigung jedoch nicht die gesetzlichen Anforderungen der Schriftform erfüllte.

Ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein von 2018 (Az. 1 Sa 23/18) zeigt daneben aber auch, der Abschluss eines Arbeitsvertrags erfordert nicht zwingend die Schriftform. Auch durch tatsächliches Handeln kann ein Arbeitsvertrag zustande kommen. Sogar, wenn wie in dem damaligen Fall ein Tarifvertrag ausdrücklich die Schriftform vorgeschrieben hat.

Bei Betrachtung dieser drei sehr unterschiedlichen Urteile kommen schnell solche Fragen auf, wie: Was gilt grundsätzlich bezüglich der Schriftformerfordernis bei Arbeitsverträgen? Was muss dabei beachtet werden und welche Folgen können Verstöße haben?

Grundsätzlich gilt Formfreiheit

Gerade an dem Fall des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein sieht man, grundsätzlich gilt in Deutschland beim Abschluss eines Arbeitsvertrags die Formfreiheit. Ein Arbeitsvertrag muss nicht zwingend in Schriftform geschlossen werden. Er kann schriftlich oder mündlich, sowohl explizit oder wie in dem Fall des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein durch tatsächliches Handeln, implizit geschlossen werden.

Lediglich bei befristeten Arbeitsverhältnissen schreibt das Teilzeit- und Befristungsgesetz (§ 14 Abs. 4 TzBfG) vor, dass eine Befristung zu ihrer Wirksamkeit beim Arbeitsvertrag der Schriftform bedarf. Wie eng hierbei in Deutschland die Grenzen sind, zeigt der eingangs genannte Fall vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg. Außerdem können auch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen die Schriftform fordern.

»Generell ist es ratsam bei der Vereinbarung des Arbeitsverhältnisses die Schriftform zu wählen.«

Generell ist es ratsam bei der Vereinbarung des Arbeitsverhältnisses die Schriftform zu wählen. Schon bislang mussten Arbeitgeber nach Beginn des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats aufgrund des Nachweisgesetztes (NachwG) die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich festhalten. Diese Niederschrift war dem Arbeitnehmer unterschrieben auszuhändigen. Mit Wirkung zum 01. August 2022 hat Deutschland die am 20. Juni 2019 beschlossene EU-Richtline über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union durch eine Änderung des NachwG umgesetzt. Dass es gerade im Hinblick auf einen möglichen späteren Streitfall sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber ratsam ist die Schriftform zu wählen, dürfte klar sein. Schafft diese doch am deutlichsten Klarheit über die getroffenen Vereinbarungen.

Änderungen im Nachweisgesetz

Schon bisher hatte § 2 NachwG für einige wesentliche Arbeitsbedingungen die Schriftform vorgeschrieben. Seit dem 01. August 2022 sind nun neu hinzugekommen:

  • falls eine Probezeit vereinbart wurde, deren Dauer
  • in welcher Form die Auszahlung des Entgelts erfolgt
  • die Möglichkeit einer Anordnung und die Voraussetzungen für Überstunden
  • eine etwaige Vergütung und Auszahlung von Überstunden
  • bei einer Befristung das Enddatum des Arbeitsverhältnisses
  • insofern vereinbart die Möglichkeit der freien Wahl des Arbeitsortes
  • Ruhepausen sowie Ruhezeiten
  • falls vereinbart Details zur Arbeit auf Abruf
  • die vereinbarten Details zur Schichtarbeit wie Schichtsystem, Schichtrhythmus und die Bedingungen zur Änderung der Schicht
  • wenn der Versorgungsträger im Fall einer betrieblichen Altersversorgung durch den Arbeitgeber nicht zur Mitteilung verpflichtet ist, Name und Anschrift des Versorgungsträgers
  • falls vorhanden, ein möglicher Anspruch auf Fortbildung durch den Arbeitgeber
  • das Verfahren, welches bei einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses von beiden Seiten einzuhalten ist

Der letzte Punkt ist besonders wichtig. Hier muss mindestens das Erfordernis der Schriftform und die Kündigungsfrist für das jeweilige Arbeitsverhältnis sowie die Erhebungsfrist für eine Kündigungsschutzklage aufgeführt sein. Jedoch gilt, unabhängig der hier in § 2 Abs. 1 Nr. 14 NachwG aufgeführte Anforderung bei einem nicht ordnungsgemäßen Nachweis § 7 des Kündigungsschutzgesetzes. Dieser regelt, dass eine Kündigungsschutzklage innerhalb von drei Wochen nach der Kündigung eingereicht werden muss. Diese Frist läuft ab Zustellung der Kündigung, auch wenn der Arbeitgeber seinen Hinweispflichten nicht nachgekommen ist.

Nachweisanspruch von Arbeitnehmern

Die Veränderungen im NachwG gelten nicht nur für neue Arbeitsverhältnisse. Arbeitnehmer haben auch bei schon bestehenden Arbeitsverhältnissen das Recht über die dank der EU-Richtlinie neu im NachwG hinzugekommenen Arbeitsbedingungen einen schriftlichen Nachweis verlangen zu können. Dieser Nachweis stellt jedoch keine Verpflichtung dar einen Neuvertrag zu unterzeichnen. Er kann vielmehr auch in einer anderen schriftlichen Form erfolgen. So können Arbeitgeber zum Beispiel in einem separaten Infoblatt über die geforderten Angaben informieren und sich dies bestätigen lassen.

»Arbeitnehmer haben auch bei schon bestehenden Arbeitsverhältnissen das Recht über die dank der EU-Richtlinie neu im NachwG hinzugekommenen Arbeitsbedingungen einen schriftlichen Nachweis verlangen zu können.«

 

Arbeitsverhältnissen schriftlich beenden

Ganz unabhängig von den oben beschriebenen Nachweispflichten ist bei Kündigungen grundsätzlich die Schriftform zu beachten. So zeigt der zu Beginn erwähnte Fall am Landesarbeitsgericht München, dass bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses zwingend die Schriftform gewahrt werden muss. Hier hat auch die erwähnte Richtlinie aus Brüssel nichts geändert. Sowohl eine Kündigungserklärung als auch ein Aufhebungsvertrag, sowie im Fall von befristeten Arbeitsverträgen, die Abrede der automatischen Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses, haben schriftlich zu erfolgen.

Konsequenzen bei Verstoß

Zum Schutze des Arbeitnehmers begründet die tatsächliche Arbeitsaufnahme nahezu ausnahmslos ein Arbeitsverhältnis. Wenn Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen – wie bei dem eingangs erwähnten Fall vor dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein – vorschreiben, dass Arbeitsverträge schriftlich abzufassen sind, wollen sie das Zustandekommen des Arbeitsverhältnisses nicht verhindern. Vielmehr soll für den Arbeitnehmer die Rechtssicherheit verbessert werden. Und auch im Fall eines Verstoßes gegen die durch § 14 Abs. 4 TzBfG vorgeschriebene Schriftform ist lediglich die Befristung nicht aber der gesamte Arbeitsvertrag nichtig.

So auch bei Verstößen gegen das NachwG. Auch hier ist der Arbeitsvertrag trotzdem gültig. Jedoch kennt das Gesetz nun Sanktionierungsmaßnahmen bei Pflichtverletzungen. Jetzt droht seit 1. August 2022 bei einem Verstoß nach § 4 NachwG ein Bußgeld. Dieses kann bis zu 2000 Euro betragen. Da das Gesetz aber nur für den Arbeitgeber Pflichten kennt, kann auch nur dieser von einem möglichen Bußgeld betroffen sein.

Praktischer Hinweis

Wer nur aufgrund mündlicher Vereinbarung arbeitet, sollte jedoch nicht auf die Abfassung eines schriftlichen Arbeitsvertrages klagen. Zum einen enthält ein schriftlicher Arbeitsvertrag dann meist viele neue Regelungen, über die man sich bisher nicht geeinigt hatte. Zum anderen sollte man lieber direkt auf Lohn klagen, weil sich ohne schriftlichen Arbeitsvertrag im Prozess die Beweislast umdreht.

»…lieber direkt auf Lohn klagen, weil sich ohne schriftlichen Arbeitsvertrag im Prozess die Beweislast umdreht.«

Zur Vorbereitung einer solchen Lohnforderung macht es eher Sinn, ein Zwischenzeugnis zu verlangen, in dem die aktuelle Tätigkeit sehr genau beschrieben wird. Dies gilt gerade dann, wenn sich der Lohnanspruch aus einem Tarifvertrag ableiten lässt. Denn im ausführlichen Zwischenzeugnis stehen viel mehr Tatsachen als in einem Arbeitsvertrag, die für die Einordnung in die richtige Entgeltgruppe entscheidend sind.

Generell gilt, falls Du Fragen oder Probleme mit Deinem Arbeitsvertrag hast und Unterstützung brauchst, wende Dich vertrauensvoll an Deinen Betriebsrat.

IMPRESSUM: Christliche Gewerkschaft Metall (CGM), Jahnstr. 12, 70597 Stuttgart, Vertreten durch den Vorstand, Bundesvorsitzender: Reiner Jahns, V.i.S.d.P.: Daniel Horvath, Kontakt: +49 (0)711 2484788-0, info@cgm.de

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Ausbildung braucht Bildung

PM Nr.09/2022

Stuttgart, den 06.05.2022

Tausende unbesetzte Ausbildungsplätze und tausende junge Menschen ohne Aussicht auf einen Ausbildungsplatz, wie passt das zusammen? Der CGM-Bundesvorsitzende Reiner Jahns widerspricht den gängigen Erklärungsmustern der unflexiblen Jugend und der überzogen anspruchsvollen Unternehmen und meint, so einfach darf man es sich nicht machen.

Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) verzeichnete im vergangenen Jahr 2021 rund 25.000 junge Menschen, die bei der Bewerbung um Ausbildungsstellen unversorgt zurückblieben und keine Alternative hatten. Zugleich blieben 2021 bundesweit laut BIBB über 63.000 Ausbildungsstellen unbesetzt, obwohl Unternehmen händeringend nach Auszubildenden suchen. Und auch für das laufende Jahr ist von keiner Besserung auszugehen. Ein in Deutschland Haus gemachtes Problem, für das weder die jungen Menschen aufgrund angeblicher Inflexibilität noch die Unternehmen etwas können.

Zur Behebung dieses Problems muss man die wirklichen Gründe verstehen. Mag manch einer auf die Idee kommen, das Problem sei nur in überzogenen und anspruchsvollen Forderungen der Unternehmen zu suchen, so verortet Reiner Jahns, Bundesvorsitzender der Christlichen Gewerkschaft Metall, das Hauptproblem ganz klar auf einer viel grundlegenderen Ebene. „Kern des Problems ist unser deutsches Schulsystem. Schon lange sind viele Abschlüsse für einen Großteil der Ausbildungsstellen nicht mehr ausreichend qualifizierend.“

Die Relevanz des Schulabschlusses zeigt sich deutlich an der hohen Zahl der Ausbildungsverträge, die vorzeitig aufgelöst werden. Laut Statistischem Bundesamt liegt die durchschnittliche Vertragsauflösungsquote in der Bundesrepublik bei 25%. Mit einem abnehmenden Grad der schulischen Vorbildung steigt dies Quote jedoch signifikant an. So beträgt die Vertragsauflösungsquote bei Auszubildenden mit einem Hauptschulabschluss als höchstem Grad der schulischen Vorbildung alarmierende 36%. Jahns meint daher: „Klar, es kann viele Gründe für das Scheitern oder Auflösen eines Ausbildungsverhältnisses geben. Aber schon allein der Zusammenhang von schulischer Vorbildung und Vertragslösungsquote offenbart deutlich einen Mangel in der vorhergehenden schulischen Ausbildung.“

Sollten Unternehmen einen Bewerber tatsächlich aus überzogenen Forderungen ablehnen, ist dies natürlich nicht zu tolerieren. Aber, dass Unternehmen so kurzsichtig handeln, wird kaum vorkommen. Schädigt sich das Unternehmen damit am Ende doch nur selbst. Jahns meint dazu: „Bei der derzeitigen Überbeschäftigung im deutschen Handwerk gibt es genug Möglichkeiten und Angebote. Auch unter den Unternehmen herrscht ein Konkurrenzkampf ihre Ausbildungsplätze voll zu bekommen. Das Problem ist nur, häufig fehlen den Bewerbern wichtige Grundkenntnisse!“

„Man darf es sich hier nicht zu leicht machen und die Schuld in vermeintlich elitären Forderungen der Unternehmen suchen.“, so der CGM-Bundesvorsitzende. „Damit tut man den jungen Leuten, die sich um einen Ausbildungsplatz bemühen, keinen Gefallen. Stattdessen muss man am Ball bleiben und die Politik in die Verantwortung nehmen, in Sachen Bildung endlich für wirkliche Chancengleichheit zu sorgen.“

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BETRIEBSRAT IST KOLLEGIALORGAN

In der Frage der Anscheinsvollmacht des Betriebsratsvorsitzenden folgt das Bundes-arbeitsgericht nicht der bisherigen Rechtsprechung. Das BAG stellt fest: Der Betriebsrats-vorsitzende darf allein keine Betriebsvereinbarung im Namen des Betriebsrats abschließen. Nur gemeinsam kann ein Betriebsrat Betriebsvereinbarungen abschließen. Zur eigenen Sicherheit dürfen Arbeitgeber einen Ausschnitt des Protokolls der entsprechenden Beschlussfassung verlangen.

Bislang folgten die Richter an Arbeitsgerichten, wie am Landesarbeitsgericht Düsseldorf, eng dem Grundsatz der Anscheinsvollmacht. So entschieden die Richter in Düsseldorf, dass bei Bestehen einer solchen Scheinvollmacht ein Betriebsratsvorsitzender im Alleingang auch ohne Beschluss des gesamten Gremiums eine Betriebsvereinbarung abschließen kann (Az.: 11 Sa 490/20 u. 5 Sa 752/19). In nächster Instanz wurde diese Frage den Richtern am Bundesarbeitsgericht in Erfurt vorgelegt. Jene kamen im selben Sachverhalt zu einem überraschend anders lautenden Urteil (Az.: 1 AZR 233/21). So ist nun – selbst, wenn die übrigen Mitglieder eines Betriebsrats mit dem Vorgehen des Vorsitzenden einverstanden gewesen wären – eine derartig zustande gekommene Betriebsvereinbarung unwirksam. Denn nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ist und handelt der Betriebsrat immer als Kollegialorgan.

»Eine Erklärung des Betriebsratsvorsitzenden ohne entsprechenden Betriebsratsbeschluss ist unwirksam und kann keine Rechtswirkungen entfalten.«

In ihrer Begründung erklärten die Erfurter Richter genauer, dass der Betriebsrat als Kollegialorgan seinen gemeinsamen Willen durch Beschluss bildet (§ 33 BetrVG). Eine Erklärung des Betriebsratsvorsitzenden ohne entsprechenden Betriebsratsbeschluss ist unwirksam und kann keine Rechtswirkungen entfalten. Auch kann dem Betriebsrat nicht auf der Grundlage einer Anscheinsvollmacht eine derartig vom Vorsitzenden abgegebene Erklärung zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung zugerechnet werden. Um diese Entscheidung besser verstehen zu können, muss man das Rechtsprinzip der Anscheinsvollmacht etwas genauer betrachten.

Die Anscheinsvollmacht

Der Grundsatz der Anscheinsvollmacht beschreibt ein Rechtsverhältnis, in welchem eine handelnde Person von einer vertretenen Person keine wirksame Vollmacht bekommen hat. Jedoch könnte eine gutgläubige andere Vertragspartei das Bestehen einer solchen Vollmacht berechtigterweise annehmen.

Dieses Verhältnis setzt zunächst einmal voraus, dass ein Vertretener zwar das Handeln des scheinbaren Vertreters nicht kennt. Zugleich hätte der (Schein)Vertretene jenes Handeln aber bei einem pflichtgemäßen und sorgfältigen Vorgehen erkennen und gegebenenfalls verhindern können. Nur so kann auch eine andere Vertragspartei gegenüber dem (Schein)Vertreter darauf vertrauen, dass der Vertretene das Handeln des Vertreters kennt und billigt. Diese Anforderungen müssen erfüllt sein, damit eine vom Scheinvertreter im Namen des Vertretenen abgegebene Willenserklärung dem Vertretenen zugerechnet werden kann.

Keine unmittelbare Anwendung

Dieser Rechtsgrundsatz der Anscheinsvollmacht kann jedoch auf das Verhältnis von Betriebsrat und Betriebsratsvorsitzenden unmittelbar keine Anwendung finden. Denn einer unmittelbaren Anwendung des Grundsatzes der Anscheinsvollmacht steht die vom Gesetz vorgesehene Verknüpfung von Willensbildung im Gremium und Erklärung im Namen des Gremiums entgegen.

Denn dem Betriebsverfassungsgesetz folgend ist die rechtliche Stellung des Betriebsratsvorsitzenden auf besondere Weise ausgestaltet. So gilt nach § 26 Abs. 2 Satz 1 BetrVG, dass der Betriebsratsvorsitzende den Betriebsrat lediglich im Rahmen der – von dem Gremium gefassten – Beschlüsse vertreten kann. Dem Betriebsratsvorsitzenden kommt somit vom Gesetz keine Befugnis für einen rechtsgeschäftliche Willensbildung anstelle des Betriebsrats zu. Der Vorsitzende kann im Gegensatz zu einem rechtsgeschäftlichen oder gesetzlichen Vertreter keine Vertretung im Willen übernehmen. Ihm ist dies nur in der Erklärung möglich.

Eine Entscheidungsbefugnis aus eigenem Recht hat der Betriebsratsvorsitzende daher lediglich in den ausdrücklich im Gesetz aufgeführten Fällen. Außerhalb dieser Fälle ist er auf die gemeinsame Willensbildung im Gremium angewiesen. Da es sich jedoch bei einem Betriebsrat um ein Kollegialorgan handelt, ist dessen Willensbildung allein durch die Fassung eines Beschlusses möglich. Wenn der Betriebsratsvorsitzende für den Betriebsrat eine Erklärung abgibt, so trifft er nicht anstelle des Betriebsrats eine auf eigenem Willensentschluss beruhende Entscheidung. Vielmehr kann der Vorsitzende im Namen des Betriebsrats nur die, durch gemeinsame Willensbildung gefasste, Entscheidung äußern.

Willensbildung nach demokratischen Prinzipien

Auch anderweitig verbietet das BetrVG die Anwendung der Anscheinsvollmacht. Denn bei Vereinbarungen zwischen Betrieb und Betriebsrat sind von der Rechtswirkung nicht nur die beiden Vertragsparteien betroffenen. Die betriebszugehörigen Arbeitnehmer sind dabei auch immer direkt und unmittelbar betroffen. Für diese könnte sich jedoch der Grundsatz der Anscheinsvollmacht rechtlich nachteilig auswirken. Im Anwendungsbereich des BetrVG ist die Anwendung der Anscheinsvollmacht daher verboten.

»Im Anwendungsbereich des BetrVG ist die Anwendung der Anscheinsvollmacht daher verboten.«

Dem Betriebsrat kommt seine Legitimation erst durch seine Rolle als Repräsentanz der Belegschaft zu. Hierzu muss der Betriebsrat durch regelmäßige demokratische Wahlen bestimmt werden. Die Willensbildung des Gremiums muss folglich auch demokratischen Grundprinzipien gerecht werden.

Auch Arbeitgeber braucht Rechtssicherheit

Das Bedürfnis von Arbeitgebern nach Rechtssicherheit in Vereinbarungen mit dem Betriebsrat haben die Richter auch erkannt. Trotzdem ist dieses Interesse nicht ausreichend stark, als dass hier das Prinzip der Anscheinsvollmacht angewendet werden dürfte. Die erwartbaren Nachteile für die Arbeitnehmer und die Widersprüchlichkeit zum Wesen des Betriebsrats nach BetrVG überwiegen zu deutlich.

Auch weil leicht eine Abhilfe zu schaffen ist. Denn es genügt, dass der Arbeitgeber vom Betriebsrat aus dem Sitzungsprotokoll eine Teilabschrift bekommt. Wenn sich aus jener die Beschlussfassung des Betriebsrats und somit die Zustimmung zu einer Betriebsvereinbarung ergibt, so ist dies für die Rechtssicherheit des Arbeitgebers ausreichend.

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RUND UM DAS KURZARBEITERGELD

Kurzarbeit und Kurzarbeitergeld…

…einige wichtige Punkte für Arbeitnehmer

In der Corona-Krise begegnen wir der Kurzarbeit auf Schritt und Tritt. Jetzt, wo Produktionen stillstehen und ganze Geschäftszweige wegen des Shutdowns geschlossen sind, schnellt die Zahl der Betriebe mit Kurzarbeit von einem Höchststand zum nächsten. Bis Mitte April haben bereits 725.000 Firmen Kurzarbeit bei den Arbeitsagenturen angemeldet.

 

KURZARBEIT–DIE WICHTIGSTEN NEUEN REGELUNGEN

Kurzarbeit bedeutet, die die Mitarbeiter in einem Unternehmen weniger Stunden arbeiten als im Arbeitsvertrag festgelegt sind. Angesichts des Shutdowns eines großen Teils der deutschen Wirtschaft hat die Bundesregierung im Eilverfahren die gesetzlichen Regelungen zur Kurzarbeit abgeändert. Nach den neuen vereinfachten Regelungen zur Kurzarbeit reicht es aus, dass 10 Prozent der Beschäftigten von einem Lohnausfall von mehr als 10 Prozent betroffen sind.

Bevor Kurzarbeit von den Arbeitsagenturen für eine Firma genehmigt wird, muss der Arbeitgeber alles tun, um die betriebliche Situation Kurzarbeit zu vermeiden. Deshalb müssen Überstunden und sonstige negative Arbeitszeitkonten vorher zunächst einmal abgebaut werden. Die neuen Regelungen zur Kurzarbeit verlangen aber jetzt nicht mehr, dass vor der Bewilligung der Kurzarbeit negative Arbeitszeitkonten aufgebaut werden.

Nur der Arbeitgeber zahlt auf das Kurzarbeitergeld Beiträge zu den Sozialversicherungen (Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung). Für die von Kurzarbeit betroffenen Beschäftigten fallen keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung an. Nach den neuen Regelungen zur Kurzarbeit werden dem Arbeitgeber diese Sozialversicherungsbeiträge voll zurückerstattet.
Auch kann jetzt Kurzarbeitergeld für Beschäftigte in Leiharbeit beantragt werden.

 

KURZARBEIT – EINIGE ARBEITSRECHTLICHE GRUNDLAGEN

Das arbeitsmarktpolitische Element der Kurzarbeit greift in Hauptleistungsverpflichtungen eines Arbeitsverhältnisses ein.
Nach diesen hat der Arbeitnehmer eine festgelegte Arbeitsleistung und der Arbeitgeber die Vergütung dieser Leistung zu erbringen. Der Umfang dieser Arbeitsleistung und des Entgelts regelt sich nach den Vereinbarungen aus dem jeweiligen Arbeitsvertrag, aus Bestimmungen der geltenden Tarifverträge und eventuell ebenfalls geltender Betriebsvereinbarungen. Der Arbeitgeber ist nicht berechtigt, Kurzarbeit einseitig kraft seines Direktionsrechts anzuordnen.

 

DER BETRIEBSRAT MUSS DER EINFÜHRUNG DER KURZARBEIT ZUSTIMMEN

In der Regel wird Kurzarbeit in einem Betrieb durch Betriebsvereinbarungen zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat eingeführt. Hat der jeweilige Betrieb jedoch keinen Betriebsrat, so muss sich der Arbeitgeber mit jedem einzelnen Mitarbeiter über die Einführung von Kurzarbeit einigen. Dem Betriebsrat steht also ein zwingendes Mitbestimmungsrecht nach dem Betriebsverfassungsrecht (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG) zu. Bei der Ausgestaltung einer solchen Betriebsvereinbarung müssen inhaltlich einige Punkte geklärt sein: Beginn und Dauer der Kurzarbeit, Lage und Verteilung der Arbeitszeit, Auswahl der von der Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer, geltende tarifvertragliche Regelungen, Ankündigungsfristen, die beachten werden müssen, Höhe des Kurzarbeitergeldes, gegebenenfalls Arbeitgeberzuschüsse zum Kurzarbeitergeld, tarifliche Zuschüsse, Umgang mit Resturlaub aus dem Vorjahr, sowie Umgang mit Arbeitszeitkonten.

 

WAS BEDEUTET KURZARBEITERGELD KONKRET FÜR BETROFFENE ARBEITNEHMER?

Kurzarbeitergeld ist eine finanzielle Leistung aus der Arbeitslosenversicherung. Lohn oder Gehalt bei Kurzarbeit berechnet sich im Prinzip wie folgt: Der Betrieb zahlt nur noch das Gehalt und die Sozialabgaben in dem prozentualen Umfang, in dem der Mitarbeiter zeitlich weiterhin für den Betrieb arbeitet. Zu diesem Arbeitgeberanteil bekommt der Arbeitnehmer noch ein sogenanntes Kurzarbeitergeld. Dieses errechnet sich aus der Differenz zum normalen Gehalt. Von der Arbeitsagentur bekommt der Kurzarbeiter dafür eine Kompensationszahlung in Höhe von 60 Prozent des Verdienstausfalls. Bei Arbeitnehmern mit Kindern beläuft sich dieser Ausgleich jedoch 67 Prozent. Das von der Arbeitsagentur gezahlte Kurzarbeitergeld ist steuerfrei. Die neuen Regelungen zur Kurzarbeit verlängern den möglichen Bezugszeitraum des Kurzarbeitergeldes von 12 auf 24 Monate.

 

WAS BEDEUTET KURZARBEIT FÜR DIE BETROFFENEN ARBEITNEHMER?

Kurzarbeitergeld kann den entstehenden Verdienstausfall nur teilweise ausgleichen. Zwar gibt es in einzelnen Branchen und bestimmten Bundesländern tarifvertragliche Regelungen, die das Kurzarbeitergeld auf bis auf 90 % Prozent des Nettoentgelt aufstocken, aber in der Regel gilt: Die Kolleginnen und Kollegen haben 40 % weniger in ihrer Lohntüte.

 

WER IST VOM ANSPRUCH AUF KURZARBEITERGELD AUSGESCHLOSSEN?

Die Zahlung von Kurzarbeitergeld ist an die Versicherung in der Arbeitslosenversicherung gebunden. Beschäftigte, die nicht arbeitslosenversichert sind, können deswegen auch kein Kurzarbeitergeld erhalten.

 

HAT KURZARBEIT AUSWIRKUNGEN AUF MEINE URLAUBSPLANUNG UND DAS URLAUBSGELD?

Auch in der Ausnahmesituation der Corona-Krise muss der Erholungsurlaub für das laufende Jahr nicht vor Beginn der Kurzarbeit genommen worden sein, aber die Urlaubsplanung für das laufende Jahr sollte bereits in der Personalabteilung vorliegen. Der Arbeitgeber kann auch nicht einseitig über den gesamten Zeitraum des Urlaubs bestimmen. Dies gilt auch beim Vorhandensein von branchenspezifisch üblichen Sonderregelungen, wie z.B. Handwerkerferien/Werksurlaub/Betriebsferien. In diesen Fällen muss der Arbeitgeber immer dringende betriebliche Erfordernisse für den Betriebsurlaub vorbringen können. Generell gilt: Die Mitarbeiter sollen sich im Urlaub erholen und sind in die Urlaubszeitplanung mit einzubeziehen. Der Arbeitgeber muss die Wünsche seiner Mitarbeiter angemessen berücksichtigen. Dies gilt auch dann, wenn wegen der Corona-Krise und den wirtschaftlichen Shutdown die Produktion ganz oder teilweise schließen muss.

Das Urlaubsgeld errechnet sich nach dem Bundesurlaubsgesetz aus dem durchschnittlichen Lohn während der letzten 13 Wochen vor dem Urlaub. Geleistete Überstunden werden dabei allerdings nicht mitgerechnet. Der Bezug von Kurzarbeitergeld wirkt sich also nicht negativ auf die Höhe des Urlaubsgeldes aus, denn die Beschäftigten, die kurz vor ihrem Urlaubsantritt Kurzarbeitergeld bekommen haben, bekommen Urlaubsgeld auf der Grundlage ihres regelmäßigen Lohns oder Gehalts ausgezahlt.

 

WAS PASSIERT BEI KRANKHEIT WÄHREND KURZARBEIT?
Wenn Arbeitnehmer in der Zeit, in der sie Kurzarbeitergeld beziehen, krank werden, besteht ein Anspruch auf Fortzahlung des Kurzarbeitergeldes für sechs Wochen. Nach Ende dieses Zeitraums endet die Fortzahlung des Kurzarbeitergeldes, danach besteht ein Anspruch auf die Zahlung von Krankengeld durch die Krankenkasse.

 

WAS IST, WENN WÄHREND DER KURZARBEIT DER MUTTERSCHUTZ EINTRITT?

Arbeitnehmerinnen, die schwanger werden, haben spätestens ab Beginn des Mutterschutzes keinen Anspruch auf Fortzahlung des Kurzarbeitergeldes mehr. Sie erhalten dann aber Leistungen nach dem Mutterschutzgesetz.

 

NEBENTÄTIGKEITEN UND HINZUVERDIENSTE

Wer schon vor Einführung der Kurzarbeit eine Nebentätigkeit ausgeübt hat, darf diese fortsetzen. Das aus dieser Tätigkeit erzielte Einkommen wird auch nicht auf das Kurzarbeitergeld angerechnet. Anders aber sieht es aus, wenn eine neue Tätigkeit jetzt aufgenommen oder eine bestehende Nebenbeschäftigung erweitert wird. In diesem Fall wird das erzielte Einkommen aus diesen Tätigkeiten nur bis zur Höhe des bisherigen Lohns oder Gehaltes nicht auf das Kurzarbeitergeld angerechnet. Wenn aber das Gesamteinkommen den bisherigen Verdienst, auf das das Kurzarbeitergeld gezahlt wird, überschreitet, verringert sich auch das Kurzarbeitergeld entsprechend.

 

WAS IST, WENN DAS GELD NICHT REICHT?

Wenn durch den Bezug des Kurzarbeitergeldes das Einkommen des Haushaltes nicht mehr ausreicht, um die Lebenshaltungskosten zu decken, können Leistungen der Grundsicherung (Hartz IV) beantragt werden. Dabei erhalten die Beschäftigten mit Einkommen einen Freibetrag. In der Regel werden rund 20 Prozent des Einkommens nicht auf Hartz IV angerechnet, so dass der Zahlbetrag höher ist, als wenn kein Einkommen erzielt wird. Der Erwerbstätigenfreibetrag wird auch auf das Kurzarbeitergeld gewährt.

 

DHV, CGM UND GÖD FORDERN GEMEINSAM EINE NEUGESTALTUNG DES KURZARBEITERGELDES IN DEN UNTEREN EINKOMMENSGRUPPEN

Kurzarbeit ist ein betriebswirtschaftliches Instrument, welches Unternehmen die Möglichkeit bietet, Arbeitsverhältnisse der eigenen Mitarbeiter in eine Art Ruhezustand zu versetzen. Bei viele Arbeitnehmern löst die Nachricht Existenzängste aus. Gerade die niedrigeren Einkommensgruppen wissen oft nicht, wie sie weiterhin Miete- und andere Lebenshaltungskosten aufbringen sollen. DHV, CGM und GÖD haben sich deshalb auf einige gemeinsame Forderung verständigt. Sie fordert die Bundesregierung auf, das Kurzarbeitergeld in den unteren Einkommen so auszugestalten, dass der Nettolohn, der mit einem Mindestlohn von 9,35 € brutto in der Stunde verdient wird, nicht unterschritten wird! Darüber hinaus ist bis zu einem Stundenlohn von 15,00 € das Kurzarbeitergeld auf 80 % des Nettolohns zur Absicherung aller betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufzustocken!